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Tango zum Kyrie

  • Autorenbild: hds
    hds
  • vor 3 Tagen
  • 2 Min. Lesezeit
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Reformationsfest – einmal ganz anders. In der Evangelischen Stadtkirche Ravensburg, dem Zentralort Oberschwabens für das alljährliche Reformationsgedenken am 31.Oktober (Thesenanschlag Martin Luthers an der Wittenberger Schlosskirche), wurde in diesem Jahr getanzt. Und zwar Tango. An die fünfzehn Paare verwandelten die langen Gänge der gotischen Kirche in eine Tanzfläche. Eng umschlungen, mit Glitzerrock. Dazu ertönte die Misa a Buenos Aires, die Misatango des argentinischen Komponisten Martin Palmeri (geb.1965) mit seinen entsprechenden Elementen:  Kyrie – Gloria - Sanctus - Benedictus - Agnus dei. Lediglich das Credo wurde ausgespart. In grellbuntes Licht getaucht, erlebte die sehr gut besuchte Stadtkirche eine Crossover-Performance, die sie so möglicherweise noch nicht gesehen hat. Deren Kantorei, geleitet von Bezirkskantorin Carmen Jauch, verstärkt durch SängerInnen der Schlosskirche Friedrichshafen, hat sich dieses lateinamerikanische Werk vorgenommen. Neben der Kammerphilharmonie Bodensee-Oberschwaben, trat ein Akkordeonspieler auf, der dem Instrument seine typischen Tangotöne entlockte. Die feine Sopranstimme stellte ein willkommenes Gegengewicht zum starken Chor dar. Eine Kirche des Wortes benötigt natürlich einen Vortrag. Das mag sich Dekan Dr. Martin Hauff gedacht haben, als er in einem spannenden Parforceritt eine Verbindung von Martin Luther zu der real existierenden christlichen Gemeinde evangelischer Prägung am Rio de La Plata in Argentinien aufzeigte. Der dortige Pfarrer Ricardo Schlegel erzählte in seinem Grußwort von den alltäglichen Aufgaben einer protestantischen Gemeinde in tiefster Diaspora. Der Pfarrer betonte, dass die evangelische Gemeinde in Zeiten der Militärjunta ein Zufluchtsort für Verfolgte war und heute sich neben ihren sozialen Aufgaben vor allem für Menschenrechte, Klimagerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung einsetzt.  

Summa: eine Kirche des Wortes kann auch sinnliche Erlebnisse bieten. In einer Zeit globaler Zusammenhänge und weltweiter Verunsicherungen ist es mehr als notwendig, den Blick zu öffnen. Das gelungene Experiment einer Crossover-Veranstaltungen mit Klang und Tanz und intellektueller Herausforderung lockte nicht nur Neugierige und junge Menschen in die Kirche, die man dort gewöhnlich seltener trifft (erst recht nicht am Reformationstag), sie zeigt auch, dass die evangelische Kirche sich mutig fremden Formen stellt und so ihr Portfolio als Kirche des Wortes um sinnliches Erleben erweitert.


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