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"Was sie schrieben, die hier liegen ..."






Im November gedenken wir der Verstorbenen. In Tübingen (und auch in vielen anderen Städten) kann man das auf besondere Weise tun. Bei meinen Besuchen in meiner Heimatstadt Tübingen habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, ab und zu den Stadtfriedhof zu besuchen. Gegenüber dem Theologikum und der medizinischen Pathologie erstreckt sich diese eingefriedete Oase der Besinnung auf Wesentliches entlang einer viel befahrenen Straße. Friedlich Hölderlin hat hier seine letzte Ruhestätte gefunden, aber auch Hans Küng, Walter Jens und Eberhard Jüngel. Alles prägende Gestalten meines Studiums. Auch Tübinger Verwandte liegen dort. Gerne besuche ich Friedhöfe. Der Tübinger Stadtfriedhof hat es mir aber besonders angetan, weil er ein Bonbon bereithält: eine Bibliothek der Verstorbenen. Unter dem Motto: "Was sie schrieben, die hier liegen" kann man nach Herzenslust aus dem Regal ein Buch entnehmen, sich auf einen der Bänke setzen und unter alten Bäumen und über alten Tübinger Geistesgrößen schmökern. Die Anleitung zum Umgang mit dieser ungewöhnlichen Präsenzbibliothek wird mitgeliefert. Eine großartige Idee, wie ich finde. Man kann sich "seiner" Geistesgröße ziemlich nahe fühlen und in Erinnerungen schwelgen. Das Drama um Hans Küng hat uns Studenten in den 70er Jahren mehr als verstört und uns zu Solidaritätsmaßnahmen veranlasst. Walter Jens hat uns politisch motiviert und als Redner fasziniert. Elisabeth Moltmann-Wendel löste in mir einen Perspektivwechsel aus, indem sie mir das Thema "Feministische Theologie" nahebrachte. Und nun liegen sie hier, verewigt in Literatur zwischen zwei Buchdeckeln.



All jenen und noch vielen mehr, die hier liegen, bin ich dankbar für ihre wertvollen Geistesimpulse, die auch mein Leben bereichert haben und weiter bereichern. Das darf auch durchaus etwas Materielles sein. Albert, der Bruder meines Großvaters, betrieb eine Schreinerei in Tübingen. Auch er ruht auf dem Tübinger Stadtfriedhof. Der Kinderkaufladen, den einst meine Mutter als Kind von ihrem Onkel erhielt, ist nun fertig restauriert. Er wird seinen Platz bei unseren beiden Enkeltöchter Mathilda und Rosa finden.


Der Kaufladen ist endlich fertig. Er steht im Keller und wartet auf die Abholung durch das Christkind


Ja, wir schreiben alle an unseren Lebensbüchern, hinterlassen etwas für die Nachwelt. Das muss nicht gedruckt vorliegen. Es kann auch in einem Möbelstück oder einen anderen schönen Erinnerung weiterleben.



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