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Hoffen auf Weihnachten




Bei einer solchen Überschrift beginnt das Theologenherz unweigerlich zu zucken. „Hoffen auf Weihnachten“ titelt die Schwäbische Zeitung heute, 29.11.2023.  Oh Wunder, denkt der Pfarrer, eine angemessene Überschrift für eine „Unabhängige Zeitung für christliche Kultur und Politik“, wie es die Schwäbische Zeitung auf ihrer ersten Seite prominent verkündigt. Das Aufmacher-Bild zeigt einen Christbaum mit roten Glaskugeln geschmückt. In einer regennassen Fußgängerzone sind Menschen mit Regenschirm und Hut unterwegs. „Hoffen auf Weihnachten“, ein romantisches Bild, ja, es hat gezuckt, aber nur für kurze Zeit. Denn sowohl die Bildunterschrift und erst recht der Leitartikel („Lichtblicke für den Menschen“) berichten keineswegs von dem, was das Theologenherz begehrt. Es geht ausschließlich um Konsum, es geht ausschließlich um das Weihnachtsgeschäft. Es geht ausschließlich um  materiellen Optimismus und was zu tun sei, um den Abwärtstrend in der Kauflaune zu stoppen. Um eines klarzustellen: mich ärgert nicht, dass Menschen im Advent sich um passende Geschenke für ihre Liebsten bemühen. Mich ärgert auch nicht, dass die Kassen im Jahresendgeschäft deutlich besser klingeln als das Jahr über. Mich ärgert auch nicht, dass der Handel auf gute Geschäfte hofft. Schließlich profitieren wir alle von guten Stimmungen. Mir ist auch wohl bewusst, dass viele Menschen, die auf der Sonnenseite des Lebens stehen, ihren Teil dazu beitragen, damit auch andere davon profitieren können. Zahlreiche Stiftungen und Sponsoring zeugen davon. Oft in aller Stille.

Das alles begrüße ich ausdrücklich. Schließlich lebe ich auch davon, was andere für mich tun: dass ich frei einkaufen kann, dass Menschen auch für mich für eine gemütliche Atmosphäre sorgen, z.B. auf den Weihnachtsmärkten, auch in unserer Stadt.

Mich ärgert nur das eine: die Ausschließlichkeit, mit der Weihnachten und Geschäftsklimaindex konnotiert werden. In einem Atemzug wird die Symbolik der Weihnacht „Hoffnung“ und „Lichtblicke für die Menschen“ konsumpolitisch annektiert, nivelliert und in einen reinen Materialismus überführt. Das ist für mich so etwas wie kulturelle Aneignung. Ein christliches Kulturgut und Glaubenszeugnis wird unhinterfragt übertragen auf unsere Konsumwelt, auf die Gesetze des Wachstums. Und das gibt mir zu denken. Und es irritiert mich, dass eine christliche Zeitung hier mitmacht. Hoffen auf Weihnachten ist gleich hoffen auf Konsum. Das ist absurd. Wo bleibt hier das „C“, meine Damen und Herren JournalistInnen?


Was ist Hoffnung?


Bevor ich mich noch weiter empöre und irgendeiner oder eine mir vorhält, in besserwisserischer Art moralinsaures Theologen-Gesäusel von mir zu geben, möchte ich deutlich machen, was ich unter Hoffnung verstehe.


Hoffnung ist für mich, wenn alle Geiseln, die in der Gewalt der Hamas sind, endlich freikommen und wenn Terroristen von religiösen Führern nie wieder auf dieser Welt zu solch einem abscheulichem Tun angestachelt werden. Hoffnung ist für mich, wenn es dauerhaften Frieden im Land Jesu gibt und Juden, Christen und Muslime neue Ansätze aus ihrer Religion herausfinden, sich miteinander zu verständigen. Hoffnung ist für mich, wenn wir den subtilen und offen ausgetragenen Antisemitismus auch hier bei uns stoppen und wir Stereotype und immer noch grassierende Muster von tief verwurzelten judenfeindlichen Äußerungen hinterfragt werden. Hoffnung gilt für alle Menschen, egal welchen Glaubens und welcher Überzeugung sie sind. Hoffnung ist, wenn Putin sich zum Frieden bekehrt und alles wieder gut macht, was er mit seinen Vasallen verbrochen hat. Hoffnung ist, wenn die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer sagt: Wir sind alle Menschen, ich fühle keinen Hass und wenn wir uns dies nicht nur anhören und beeindruckend finden, sondern uns alle an ihr ein Beispiel der Versöhnungsbereitschaft nehmen. Hoffnung ist, wenn ich meinen persönlichen Konsum und mein Anspruchsdenken hinterfrage. Hoffnung ist, wenn ich mich bemühe, komplexe Sachverhalte zu verstehen. Hoffnung ist, wenn ich die Dauerschleife auch meiner Empörung hinterfrage. Hoffnung sind die vielen Zeichen des Durchhaltens, gegen die Abstumpfung, gegen die Verhärtung angesichts des Leids in der Welt, gegen den Rückzug ins Private. In diesem Sinne wäre für mich ein Hoffen auf Weihnachten gegeben. Hoffnung ist, wenn all die Krippenspiele dieser Welt nicht als Infantilisierung und als Theaterstücke aus der Abteilung Rührseligkeit verstanden werden, sondern als nichtmaterielle Impulse aus einem göttlichen Frieden, der höher ist als alle Vernunft.

 

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