Herrscherperspektive
- hds
- 15. Apr.
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Leserbrief an die Schwäbische Zeitung Ravensburg vom 15.04.2025
Herrscherperspektive
Mit der Weißenauer Chronik zum Bauernkrieg liegt ein einmaliges Zeugnis der Ereignisse vor, aus „Herrscherperspektive“ formuliert vom damaligen Abt des Klosters Weißenau, Jakob Murer, illustriert von einem unbekannten Zeichner: die einzige bildliche Darstellung des „Bauernkrieges“ in Deutschland vor 500 Jahren. In einem lebendigen Vortrag hat der ehemalige Ravensburger Archivdirektor Dr. Peter Eitel dieses Werk am historischen Ort nahegebracht.
Keine Frage: die „Bauern“ haben in vielen Fällen über die Stränge geschlagen, aber nach mehreren Jahren voller Missernten, Hungersnöten und horrenden Abgaben an die Klöster konnte die Landbevölkerung ihre Familien nicht mehr ernähren. Die Darstellung der Bauern als dumm, gefräßig und streitsüchtig sollten in den Kontext dessen gestellt werden, was ihre eigentlichen Anliegen waren: die aus dem Evangelium erwachsenen Rechte für alle Menschen mit dem zentralen Punkt der Aufhebung ihrer Leibeigenschaft. Die große bayerische Ausstellung „Projekt Freiheit“ in Memmingen (noch bis 19.10.) nimmt die Perspektive der betroffenen Bauern ein. Im März 1525 schließen sich die Abgesandten der Bauern dort zu einer „Christlichen Vereinigung“ zusammen. Unmittelbar nach dem Treffen tritt die wichtigste Schrift des Bauernkriegs ihren Siegeszug an: die „Zwölf Artikel“ aus der Feder des Memminger Laientheologen Sebastian Lotzer. In den darin formulierten Forderungen verlangten die Bauern nichts weniger als „dass wir frei sind und sein wollen“. Heute gelten sie nach der Magna Charta als früheste Forderung nach Freiheitsrechten in Europa und als Grundlage für die Allgemeinen Menschenrechte, aktueller denn je!
Den damaligen Unterdrückern vom Schwäbischen Bund eine Fahne am jüngst eröffneten Weissenauer Stelenpark zu hissen, halten wir für deplatziert.
Dr. Hans-Dieter und Gerda Schäfer, Ravensburg
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