
Erasmus, Erasmus +: Viele verbinden mit dem Namen ein europäisches Studienaustauschprogramm. Wer war Erasmus? Was hat er geleistet? Was hat er mit Europa zu tun? Einer Antwort auf diese Fragen kann man im Erasmushaus in Anderlecht auf die Spur kommen. Dort befindet sich das Haus, in dem Erasmus (1466 Rotterdam -1536 Basel) sechs Jahre seines Lebens verbracht hat. Auch wenn das Haus zurzeit renoviert wird und nicht alles zugänglich ist, lohnt sich der Besuch. Es ist nicht nur eines der am besten erhaltenen gotischen Häuser von Brüssel, es bietet auch die Möglichkeit, in das Leben dieses großen Philosophen und Intellektuellen des 16. Jahrhunderts einzutauchen. Erasmus hat seine katholische Kirche kritisiert, sich zum Beispiel vehement gegen jede Form der Inquisition ausgesprochen, war von reformerischen Ideen beseelt, ließ sich aber nie dazu bewegen, die Kirche zu verlassen und sich Luther und den Reformatoren anzuschließen. Erasmus gilt als Förderer der Einheit einer europäischen Kultur und zu einem der ersten Kämpfer für den europäischen Einigungsgedanken. Er stand als wahrhaft europäischer Kosmopolit und Gelehrter an der Spitze der humanistischen Bewegung im 15. und 16. Jahrhundert. Über 150 Bücher, Traktate und Schriften hat der Philosoph verfasst. Eine besondere Freundschaft pflegte er mit dem Buchdrucker Johannes Froben in Basel.

Gotik
Im Erasmushaus werden Werke der Renaissance ausgestellt, die Albrecht Dürer zugeschrieben werden, aber auch Ölgemälde niederländischer Künstler. Nach einer kurzen Klosterausbildung sah Erasmus seinen Weg auf dem europäischen Parkett. Dort arbeitete er als Fürstenlehrer, als Gelehrter, Übersetzer, Schriftsteller an verschiedenen Universitäten in Deutschland, in der Schweiz, Frankreich, England. Der Pfarrklerus war nie seine Sache. Im letzten Jahr seines Lebens fand er Heimat in Basel. Eine Grabstelle hat er im protestantischen Basler Münster erhalten, was dem Einfluss eines Basler Humanistenkreises zu verdanken war. Dis kann als Zeugnis des Toleranzgedankens interpretiert werden, dem sich Erasmus verschrieben hat. Für den Erasmus-Biograph Stefan Zweig bestand das Erasmische in der „Kunst, Konflikte abzuschwächen durch gütiges Begreifen“. Erasmus und einige christliche Humanisten versuchten die gegenseitige Toleranz zwischen Juden, Christen und Muslimen zu fördern, indem sie die Gemeinsamkeiten der drei Religionen herausstellten und einen neuen Umgang mit Juden und Moslems forderten. Basierend auf dem Toleranzgedanken war Erasmus aktiv beteiligt an der Gründung des Collegium Trilingue in Löwen, welches Hebräisch als heilige Sprache der Bibel vermittelte. Hinter dem Haus wurde ein philosophischer und medizinischer Garten angelegt, der sich hervorragend eignet, die Eindrücke aus dem Haus meditativ zu vertiefen. Dass die AfD-nahe politische Stiftung "Desiderius Erasmus", ihre Stiftung mit diesem Namen schmückt, entbehrt jeder Grundlage.
Eine Partei, die erwiesenermaßen für Intoleranz und Europafeindlichkeit steht, sollte sich gründlichl mit dem Namensgeber ihrer Stiftung befassen, dann würde sie vielleicht auf andere politische Ideen kommen.

Schreibtisch
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