Predigt für den Fastnachtssonntag 27.2.2022
Über das Lachen
Liebe Gemeinde,
heute schon gelacht? Wenn nicht, sollten wir es schleunigst nachholen. Denn beim Lachen werden vom Kopf bis zum Bauch rund 300 Muskeln angespannt, allein 17 im Gesicht. Mit dem Lachen kommt das Wohlbefinden. Das kann nicht nur subjektiv empfunden, sondern auch biologisch belegt werden. Im limbischen System, einer evolutionsgeschichtlich alten Region im Gehirn, liegt das Zentrum für Gefühle. Hier werden während des Lachens Glückshormone (Endorphine) produziert, die in die Blutbahn gelangen. Das merken wir daran, dass die Stimmung steigt. Aber Lachen bewirkt noch etwas anderes im Körper: Während Glückshormone freigesetzt werden, wird die Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin unterdrückt. Sogar das Immunsystem wird durch das Lachen angeregt. Sogenannte Antikörper, die der Körper zum Schutz vor Bakterien und Viren braucht, werden neu gebildet. Lachen hat also mindestens drei positive Auswirkungen auf den menschlichen Körper: Die Abwehrkräfte werden gestärkt, der Stresspegel sinkt und zudem bringt der Hormonschub Glücksgefühle.
Wenn wir so viel über die positiven Effekte des Lachens hören, wundert einen umso mehr, warum ausgerechnet in der Kirche dem Lachen gegenüber so skeptisch eingestellt ist. Umberto Eco hat in seinem berühmten Roman „Der Name der Rose“ dem Lachen ein ganzes Buch gewidmet. Darin soll das Lachen aus dem kirchlichen Leben vollständig getilgt werden, mit barbarischen Methoden.
Nichts fürchtet Jorge mehr als das Lachen. Er hasst es einfach, sei es nur ein Kichern hinter vorgehaltener Hand oder ein breites Grinsen. Denn wer lacht, hat keine Angst. Wer aber keine Angst hat, der hört ja auf nichts und niemanden mehr, nicht mal auf die Kirche, geschweige denn auf Gott. Deswegen muss dieses grässliche Buch verschwinden, schnell. Jorge versteckt das Buch des Philosophen Aristoteles "Über die Komödie" und vergiftet es. Jeder, der es liest, stirbt. Besser tot sein als lachen. Der Mönch Jorge von Burgos in "Der Name der Rose" ist nicht der Einzige, der dem Lachen im Christentum skeptisch gegenübersteht, wenn auch ein ganz besonders finsterer Vertreter seiner Art.
In der Bibel selbst wird auffällig wenig vom Lachen erzählt. "Ein Christ soll nicht lachen, Jesus hat auch nicht gelacht", urteilt ein antiquiertes pietistisches Erbauungsbuch. Heute sehen es unsere pietistischen Freund*innen sicher etwas anders. Dass Jesus gelacht haben soll, erwähnt die Bibel in der Tat an keiner Stelle. Aber weil er ganz Mensch war, spiegelt er das volle Leben, die Traurigkeit und Fröhlichkeit. Auf der Hochzeit zu Kana wird Jesus nicht gerade Däumchen drehend in der Ecke gesessen haben, in Erwartung seines großen Auftritts, der Wandlung von Wasser zu Wein. Und bei den Fressern und Weinsäufern, bei denen sich Jesus zuweilen aufgehalten hat, ist man sicher zum Lachen nicht in den Keller gegangen. Wir wissen heute, dass Lebensbejahung (und dazu gehört auch Humor und Lachen) im Neuen Testament nicht extra erwähnt wird, sie wird schlicht vorausgesetzt. Alles steht bereits in der Bibel. Im Ersten Testament. Das Neue Testament wird nicht müde, das Jenseits zu erwähnen, vom Diesseits kaum ein Wort. Warum? Weil das Diesseits im AT ausführlich beschrieben wird. Das AT ist voll und ganz das Buch vom prallen Leben, das Buch von Menschen, das Buch vom Ja zur Intensität und Qualität des Lebens in allen Schattierungen.
"Wo Glaube ist, da ist auch Lachen", wusste auch Martin Luther. So ist das Werk des Reformators durchzogen von feinem Wortwitz und ironischem Hintersinn. Aber auch vor derben Worten unter die Gürtellinie seiner Gegner schreckte er nicht zurück. Wer auf Gott vertraut, hat also umso mehr zu lachen. Klar, unser Leben sieht oft anders aus, gerade wenn wir auf die weltpolitische Lage schauen. Sich ein Lachen ins Gesicht zu zwingen, wo es nichts zu lachen gibt, wäre unecht und gekünstelt. Aber ist unser Glaube nicht ein echter Grund zur Freude? Warum also nicht lachen, wenn uns danach ist, am besten aus vollem Hals? Ich jedenfalls denke, Gott sieht uns gerne lachen. Und vielleicht lacht er ja sogar mit. Hanns Dieter Hüsch, der große rheinische Kabarettist, drückt es so aus: "Was macht, dass ich so fröhlich bin im meinem kleinen Reich? Ich sing und tanze her und hin vom Kindbett bis zur Leich. Was macht, dass ich so furchtlos bin an vielen dunklen Tagen? Es kommt ein Geist in meinen Sinn, will mich durchs Leben tragen. Was macht, dass ich so unbeschwert und mich kein Trübsinn hält? Weil mich mein Gott das Lachen lehrt wohl über alle Welt." In der Bibel wird selten gelacht. Da fällt sie richtig auf: die lachende Sara. Obwohl so vieles gar nicht zum Lachen ist. Als junge Frau, außergewöhnlich schön, wird sie vom Pharao in seinen Harem verschleppt. Später, wieder bei Abraham, kann sie keine Kinder bekommen und leidet sehr darunter. Sara ist hochbetagt, als sie hinter der Zeltplane hockt und Gottes Versprechen hört: Sie soll einen Sohn bekommen. Da muss sie unwillkürlich lachen. Ausleger haben sich gestritten, was denn das jetzt nun genau für ein Lachen ist. Lachen ist eben nicht gleich Lachen, da gibt es so viele verschiedene Schattierungen wie es Witze gibt. War es eher ein schelmisches Kichern oder doch nur ein bitteres Schnauben? Oder etwa echte Vorfreude? Bei all diesen Überlegungen schwingt auch immer die moralische Empörung mit, wie diese freche Sara es einfach wagen kann, über Gott zu lachen. Die Antwort bleibt die Bibel uns schuldig. Und hätten wir Sara selbst fragen können, vielleicht wüsste sie es ja auch nicht genau zu sagen. Ich kann verstehen, dass Sara lacht. Gottes Versprechen sind für unsere Ohren manchmal einfach zu schön, um wahr zu sein. Sie widersprechen allem, was wir in der Welt erfahren. Mit an die 90 Jahren einen Sohn zu bekommen, wer hat denn sowas schon gehört, jetzt mal im Ernst?
Wir sitzen zwischen diesen beiden Wirklichkeiten, zwischen dem, was wir hoffen und dem, was wir erleben, zwischen Glauben und Zweifel, zwischen Vertrauen und Angst und wissen eben manchmal auch nicht, ob wir lachen oder weinen sollen. Dann will ich von Sara das Lachen lernen. Denn es ist der Hoffnung nah. Und das reicht. Denn Gott lacht am Ende selbst. Jesus war ein echter Mensch, der auch gelacht haben muss, unwillkürlich und unbeschwert, in den Armen Marias, als Kind beim Spiel, als Erwachsener. Der Sohn, den Sara bekommt, dieses kleine Wunder, der heißt Isaak. Und das heißt frei übersetzt: "Gott hat mich zum Lachen gebracht."
Aber es gibt auch die andere Seite des Lachens, die hier nicht verschwiegen werden darf. Das Auslachen. Das Lachen auf Kosten anderer. Es gibt kaum Schlimmeres, als ausgelacht zu werden, hinter vorgehaltener Hand oder direkt ins Gesicht. Das tut richtig weh. Hiob wird ausgelacht. Er, der alles verloren hat, seine Kinder und seinen ganzen Besitz, geplagt von einer schlimmen Krankheit. "Jetzt lachen mich Leute aus, die viel jünger sind als ich" (Psalm 30,1), klagt er. Es reicht nicht, dass es ihm dreckig geht, das Gelächter nimmt ihm noch dazu jede Würde. Und von Gott ist nichts zu hören. "Ich rufe zu dir, doch du antwortest mir nicht" (Hi 30, 19.20). Hiob fühlt sich mutterseelenallein.
Den Spott musst du nicht auf dir sitzen lassen. Hiob geht dazu den ersten Schritt: Er fasst sein Unglück in Worte. Er schweigt nicht. Er sucht sich Verbündete. Er schreit seinen Schmerz heraus. Und ich denke an Jesus, wie er selbst am Kreuz verspottet wurde, als König ausgelacht und mit Dornen gekrönt. Wer dieses höhnische Lachen also auch kennt, dem kann ich dir versichern: Du bist nicht allein. In jedem Lachen steckt Ostern. In jedem Lachen kann ich es erleben, wie es Hanns Dieter Hüsch unübertroffen in kabarettistischer Manier formuliert: Was macht, dass ich so unbeschwert und mich kein Trübsinn hält? Weil mich mein Gott das Lachen lehrt wohl über alle Welt."
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