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Der segnende Christus und unser Leben in der Corona-Krise

Besinnung zum 22.März 2020

Evangelische Kirchengemeinde Ravensburg-Eschach

Pfr. Dr. Hans-Dieter Schäfer

Ev. Krankenhauspfarramt ZfP Südwürttemberg/Weissenau

hans-dieter.schaefer@zfp-zentrum.de

Fresko in der Apsis der Evangelischen Erlöserkirche München 1903/1904

Künstlerin: Linda Kögel (1861-1940)




Der segnende Christus und unser Leben in der Corona-Krise


Trostbilder und Hoffnungsbilder sind jetzt angesagt. Eines, das mich sehr berührt und mich seit einigen Wochen als Hintergrundbild auf meinem Smartphone begleitet, ist für mich so ein Bild, das Hoffnung macht und Trost spendet. Entdeckt habe ich es rein zufällig, vor kurzem in München. Gemalt wurde es von der Künstlerin Linda Kögel im Jahr 1903/1904 in die Apsis der Münchner Erlöserkirche. Das evangelische Gotteshaus ist ein Ruhepunkt am verkehrsreichen Platz an der Münchner Freiheit, ein architektonisches Juwel unter den Münchner protestantischen Kirchen und mit seiner Innenausmalung im Jugendstil eine künstlerische Kostbarkeit. Wie eine Trutzburg im schicken, quirligen Schwabing bewahrt die Kirche viele Schätze, die positiv ausstrahlen. Gerade auf visuelle Typen und Jugendstilfan wie mich. Bereits beim Betreten nimmt sie mich mit ihrer schlichten Anmut freundlich in Empfang. Das Fresko in der Apsis stellt das Leben eines Christen, einer Christin dar, von der Taufe bis zum Grab. Unter dem tiefblauen Himmel mit Sonne und Mond stehen Engel links und rechts in dienender Haltung wie Bodyguards um den segnenden Christus. Christus selbst, in goldenem Gewand gekleidet, sitzt im königlichen Habitus auf einem Wolkenband. Er breitet seine Hände über die versammelte Gemeinde. Ganz versunken in seinen Auftrag. Zwei musizierende Engel schicken himmlische Begleitmusik auf die Erde. Dort hat die Künstlerin mit bunten Gewändern bekleidete Menschen in sehr unterschiedlichen Lebensphasen dargestellt. Ein Engel auf der linken Seite eröffnet den Reigen und teilt die Freude der Geburt mit der Mutter. Es folgen Jugendliche, ein Hochzeitspaar, zwei Kinder, ein Geistlicher kniend mit Abendmahlskelch, daneben eine betende Frau. Ein älterer Mann vertieft sich in ein Buch, wohl eine Bibel. Zwei Engel nehmen eine oder einen Verstorbenen in ihre Obhut, zart eingehüllt in ein weißes Tuch. Der Himmel ist offen, der Horizont weit, trotzdem strahlt eine bemerkenswerte Intimität auf.

Auf der Erde entfaltet sich das christliche Leben zwischen Geburt und Grab. Dargestellt in einer farbenfrohen Gesellschaft unterschiedlicher Lebensphasen und der damit verbundenen Herausforderungen. Und ganz unten, auf dem Boden der Wirklichkeit im Kirchenraum, feiert die reale christliche Gemeinde die Taufe und das Abendmahl im sonntäglichen Gottesdienst. Alles geschieht unter dem segnenden Christus in einer Gleichzeitigkeit und Verbundenheit.

Warum ist das für mich ein Trostbild- und Hoffnungsbild?

Weil es Ruhe ausstrahlt. Eine Ruhe, die guttut und die ich gerade jetzt brauchen kann. Und weil es in mir Kräfte wachruft. Erinnerungen an Situationen, die mir bei der Bewältigung von persönlichen Krisen halfen. Das sind Menschen, die bereits durch ihre Ausstrahlung Mut machen. Bilder der Heilung. Texte, die aufbauen. An all das kann ich anknüpfen. Stimmungen und Gefühle reaktivieren. Das Werk beschreibt In einem ungewöhnlichen Bildprogramm beschreibt das Werk den Segen als etwas Allumfassendes, wie Christus allumfassend ist. Keinen Lebensbereich gibt es, der nicht durch den lebendigen Christus ausgefüllt wäre. Auch die Schöpfung ist mit farbigen Blumen in das Geschehen hineingenommen.

Segen ist die geistige Voraussetzung eines lebendigen Vertrauens. Er wird hier spürbar durch die Klarheit und Lebendigkeit, aber auch durch das Geheimnisvolle, das dieser Szenerie innewohnt. Das ist das Tröstliche und Hoffnungsvolle, das mich durch dieses Fresko so sehr ergriffen hat, dass es auf meinem Smartphone erscheint, sobald ich es öffne. Und das mache ich in diesen kritischen Zeiten oft. Vielleicht auch zu oft. Aber bevor mich neue Nachrichten aufwühlen, begegnet mir dieses Bild der Ruhe. Das strahlt positiv auf meine Stimmung aus.

In Zeiten einer Krise, von der unsere Bundeskanzlerin sagt, es sei die größte Krise in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg, geht es darum, zusammenzuhalten, dem Virus, der sich weiterverbreitet, diszipliniert standzuhalten, ihm mit aller Macht zu trotzen. Unbedingte Priorität hat, die Schwachen und Kranken zu schützen. Und helfen, wo es erforderlich ist. Das ist unsere christliche Pflicht und Aufgabe. So paradox das klingen mag: zurzeit können wir unseren christlichen Auftrag nur umsetzen, wenn wir uns nicht über das notwendige Maß hinaus begegnen. Das verlangt uns Einiges ab. Gottesdienste unter dem segnenden Christus zu feiern, so wie es für die Münchner Erlöserkirche bis vor kurzer Zeit noch selbstverständlich war, ist auch in der Erlösergemeinde München auf unbestimmte Zeit nicht mehr möglich. Untereinander werden wir eine Vernetzung leben, die mit anderer Nähe korrespondiert. Aktuell sind Phantasien für neue Formen des Glaubens in der Krise gefragt. Ideen für eine christliche Gemeinschaft sind zu entwickeln, die wir auch ohne direkte soziale Kontakte spüren lassen. Dabei aktivieren wir unsere Hoffnungsbilder. Und knüpfen an unsere Ressourcen an: das Gebet, die Vertiefung in die Heilige Schrift, die Glaubensbilder, die Lieder der Hoffnung. Singen wir sie notfalls allein.

Ich erlebe die Krise als ein Fasten, das ich mir so nicht habe träumen lassen, als eine Passion, die von uns allen ein anderes Denken abverlangt, als eine geistige Umkehr, die persönliche Lebensstile hinterfragt und bewertet. Wir werden in diesen Zeiten neu die Geister zu unterscheiden haben. Das Internet steckt voller Panikmacher, die nichts Gutes im Sinn haben. Wir Christ*innen sind Vorreiter*innen eines überzeugenden Lebensstils, der die Gefahren nicht unterschätzt, nicht ignoriert, aber sie auch nicht panisch übersteigert.

Hinter aller Virtualität, in der wir uns nun gezwungenermaßen üben müssen, steht der lebendige Christus. Das Christuswort „Ich bin das Licht der Welt“ ziert den Pfeiler, auf der linken Seite, der Seite des Lebensbeginns. „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ lesen wir am Fuß des rechten Pfeilers, dort wo der Engel zum Schweigen mahnt. Der Schweigeengel ist die einzige Gestalt, die uns Betrachter und Betrachterinnen direkt in die Augen blickt. Mit einem Finger schließt er die Lippen, als wolle er andeuten: zerredet mir bitte die Szenerie nicht mit euren klugen Worten. Lasst sie auf euch wirken! Haltet still und versucht zu verstehen, was dieses Bild persönlich für dich bedeutet.

Ich bin überzeugt, dass Christus uns seine Segenskräfte sendet, in die Münchner Freiheit genauso wie nach Ravensburg, Weissenau und Eschach. Und daraus werden neue Kräfte erwachsen. Ich bin überzeugt, dass wir aus der Corona-Krise letztlich gestärkt hervorgehen. Aber zuerst müssen wir da durch. Und einander beistehen, wo es nur geht.


Gebet

Lebendiger Christus. Ungewissheit und Angst erfüllen in diesen Tagen unsere Gedanken. Wir sind in Sorge. Wir sorgen uns um unsere Lieben. Wir vertrauen sie deiner Fürsorge an. Behüte und bewahre sie. Wir sorgen uns um das Zusammenleben in unserem Land. Wir schauen auf das, was kommen wird. Wir sind hilflos. Das Corona-Virus bedroht die Schwachen. Wir vertrauen die Kranken deiner Fürsorge an. Behüte und bewahre sie.

Wir bitten für die Sterbenden – behüte sie und erbarme dich. Wir bitten für die Jungen – behüte sie und erbarme dich. Wir danken dir für alle, die in Krankenhäusern und Laboren arbeiten. Wir danken dir für alle, die Kranke pflegen, Eingeschlossene versorgen und sich um das Wohl aller einsetzen. Behüte und leite sie. Du bist unsere Hilfe und Stärke. Behüte uns, bewahre uns und erbarme dich.

Amen.


Sie können mich unter der Telefonnummer 01716455158 erreichen.

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