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Solidarität in Zeiten von Corona


Die Schwäbische Zeitung Ravensburg startete eine Umfrage zum Thema "Solidarität in Zeiten von Corona". Hier sind die Fragen:


1. Wie erleben Sie die Solidarität in Zeiten von Corona?

2. Nutzen mehr Menschen Ihr Gesprächsangebot, seit das Coronavirus herrscht?

3. Drehen sich die meisten Sorgen der Menschen um das Coronavirus?

4. Welches Feedback geben Ihnen die Gläubigen? Wie bewerten Sie die Relevanz Ihrer Arbeit des Gesprächsangebots (vor allem seit Corona)? Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Arbeit seit der Corona-Krise gesellschaftlich mehr geschätzt wird?

5. Was wünschen Sie sich während der Corona-Zeit und danach?

Und meine Antworten:

1. Solidarität in Zeiten von Corona

Da mein Arbeitszimmer, in dem ich regelmäßig seelsorgliche Gespräche anbiete, schnell zu einer Ausweichstation umfunktioniert wurde, musste ich schnell ein neues Arbeitszimmer auf dem weiten Gelände des ZfP beziehen. Es war für mich selbstverständlich, dass ich hier solidarisch handelte. Auch unsere Kirche mussten wir schließen. D.h. zwei wichtige Anknüpfungspunkte für Begegnung brachen plötzlich weg. Das war schon seltsam, aber notwendig. Dank moderner Kommunikation war und bin ich telefonisch direkt erreichbar. Die vielen Hilfsangebote durch Diakonie, Caritas und einzelne hilfreiche Menschen erlebe ich als sehr solidarisch. Auch von Seiten der Stadt Ravensburg erlebe ich viel Einsatz für das Gemeinwohl. Die Menschen tun das nicht nur aus Pflicht, sondern aus dem Geist der Nächstenliebe und der Solidarität. Die Pflegekräfte in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen haben nicht nur unsere Anerkennung in Form von Applaus und Dank verdient. Die Krise zeigt uns, wie wichtig es ist, die Berufsgruppen auch angemessen materiell zu unterstützen, die wirklich an der Basis arbeiten. Das heißt: es muss dort investiert werden, wo es um Menschen, würdige Pflege und Gesundheit geht. Das betrifft neben dem Pflegepersonal auch die Reinigungskräfte. Sie sind in dieser Zeit besonders gefordert. Sie haben unsere Solidarität verdient. Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die wir jetzt schon diskutieren müssen, nicht erst nach der Krise. Es bleibt zu hoffen, dass sich die allerorts bekundete Solidarität nach der Krise nicht in Wohlgefallen auflöst.

2. Gesprächsangebot

Mit den Menschen, die die Angebote der Kirche bereits kennen, ist der Kontakt in dieser Krisenzeit intensiver. Bei uns in Weissenau läuft seit vielen Jahren ein Kirchencafé. Das können wir in den Coronazeiten leider nicht mehr anbieten. Ich spüre, wie für die Menschen, die hier regelmäßig teilgenommen haben, etwas Wesentliches und Wertvolles wegbricht. Wir bleiben in telefonischem oder brieflichem Kontakt. Viele Menschen wollen sich einfach vergewissern, dass es zusätzlich zu aller materiellen Versorgung auch das Angebot der Seelsorge da ist, dass es verlässlich ist, dass es durch die Krise trägt. Das gute alte Telefon kommt wieder neu zur Geltung. Aber auch Spaziergänge im Park biete ich an. Wir legen unsere Sonntagspredigten vor der Kirche aus. Die werden gerne mitgenommen.

3. Sorgen der Menschen

Ich habe durch meine Arbeit in der Seelsorge den Eindruck, dass Corona tief in das Lebensgefühl der Menschen eingreift. Es ist plötzlich alles anders. Der Eindruck, da umgibt uns etwas , was uns bedroht, was wir nicht sehen und nicht beherrschen können, macht Menschen mit psychischen Erkrankungen hilflos. Andererseits erlebe ich in der Seelsorge auch Menschen, die solche Situationen zu gut kennen: eine unbestimmbare Angst, die mir die Lebenskraft nimmt, die niemand so richtig nachvollziehen kann. Es ist eine solidarische Erfahrung: Das Virus ist mir nicht fremd. Menschen drücken in der Seelsorge ihre Angst und Hoffnungslosigkeit aus. Viele konnten nicht besucht werden. Jetzt gibt es Gott sei Dank die Lockerungen. Manche weinen unvermittelt, weil sie vieles so hoffnungslos empfinden. Sie wünschen Zuspruch, Trost, Zeit und menschliche Präsenz. Das ist unser Auftrag. Kein Mensch soll das Gefühl haben, alleingelassen zu werden.

4. Feedback/Relevanz/gesellschaftliche Anerkennung der Arbeit

Am Anfang der Krise tat ich mich schwer mit dem Begriff „systemrelevant“. Ich habe mich gefragt, ob wir das überhaupt sind mit unseren kirchlichen Angeboten. Dann brachen mit einem Mal die Gottesdienste weg, das Kirchencafé, eine Veranstaltungsreihe, die musikalischen Angebote der Kulturkirche, der Unterricht … Hier im Krankenhaus wurde mir aber sehr klar kommuniziert, dass ich zu den Mitarbeiter*innen gehöre, obwohl ich quasi von außen komme und in kirchlichen Diensten stehe. In den Stationen, die ich schwerpunktmäßig besuche, bin ich gerne aufgenommen. Ich habe den Eindruck, dass meine Arbeit geschätzt wird. Jede Station weiß, wie man mich erreicht. Die gesellschaftliche Anerkennung der seelsorglichen Arbeit nachhaltig zu beurteilen, fällt mir im Moment noch schwer. Ich verstehe meine Arbeit auch als Antistigmaarbeit, als Arbeit gegen Ausgrenzung psychisch kranker Menschen. Und das ist eine Daueraufgabe, der ich mich verschrieben habe. Darum sind alle meine Angebote inklusiv.

5. Wünsche während und nach Corona

Während der Coronazeit habe ich mich noch mehr als vorher gefragt: Was macht wirklich Mut? Was bedeutet echter Trost? Wie lässt sich Glaube in Zeiten sozialer Distanz glaubwürdig leben? Ich bin darauf gekommen, dass Beziehungen ein sehr hohes Gut sind, die es zu pflegen gilt. Echte, gelebte Beziehungen überstehen auch Krisen. Das ist mein Wunsch: dass wir echte Beziehungen pflegen und dass wir Menschen nicht vertrösten, sondern im Hier und Jetzt ansprechen und ernst nehmen, mit ihren Fragen und Ängsten. Wahrscheinlich müssen wir unsere Verkündigungsformen überdenken. In den letzten Monaten ist so viel Kreatives entstanden: digitale Gottesdienste, digitale Seelsorge. Auch ich habe meinen Blog intensiviert. Die angeclickten Seiten zeigen, dass er auch gelesen und gehört wird. In allem wünsche ich mir, dass wir Menschen nicht allein lassen, uns aber auch nicht aufdrängen.

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