Quelle: Schwäbische Zeitung Ravensburg 12.12.2020
Anfrage führt zu längerer Debatte im Sozialausschuss über den Umgang mit Randgruppen Von Anton Wassermann Ravensburg
Gibt es in Ravensburg genügend Schlafplätze, damit wohnungslose Menschen nicht ungeschützt der Winterkälte ausgesetzt sind? Mit dieser Anfrage in der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses zielte CDU-Stadtrat Rolf Engler auf ein anderes Problem: den richtigen Umgang mit psychisch Kranken, die durch ihr auffälliges Verhalten viele Ravensburger, insbesondere Einzelhändler, belästigen.
„Wer psychisch krank ist, aber weder andere noch sich selbst gefährdet, kann nicht gegen seinen Willen in die Psychiatrie eingewiesen werden. So ist nun einmal die Rechtslage. Und an die müssen wir uns halten, ob es uns gefällt oder nicht.“ Mit dieser Auskunft machte Bürgermeister Simon Blümcke klar, dass die Stadt keine rechtliche Handhabe besitzt, zwei stadtbekannte Frauen davon abzuhalten, Kunden von Geschäften oder Banken mit ihrem auffälligen Verhalten zu belästigen. „Alles, was wir machen können, ist zu versuchen, sie über unsere Sozialarbeiter von ihrer Hilfsbedürftigkeit zu überzeugen, damit sie sich psychiatrisch behandeln lassen. Aber damit sage ich Ihnen nichts Neues“, erklärte Blümcke.
Hoffnung setzt der Bürgermeister auf die ambulanten Angebote des Sozialpsychiatrischen Dienstes. „Da sind wir in konkreten Verhandlungen“, sagte Blümcke. Es gehe hier nicht allein um die von Engler erwähnten zwei Frauen: „Wir haben zehn bis 20 solcher Schicksale in der Stadt. Dabei muss es gelingen, die Betroffenen zu überzeugen, dass sie Hilfe benötigen und sie auch annehmen. Wir haben es schließlich auch geschafft, einem stadtbekannten Tänzer und Hobbypoeten zu helfen“, fügte der Bürgermeister an. Gemeint war der frühere OB-Kandidat Alexander Miele, der über Jahre viele Ravensburger durch seine immer skurriler werdenden öffentlichen Auftritte genervt hatte.
Den Ausführungen Blümckes pflichtete SPD-Stadtrat Hans-Dieter Schäfer nachdrücklich bei: „Man kann niemand zu seinem Glück zwingen. Gewisse Lebensweisen müssen wir aushalten, ohne sie zu bewerten. Aber wir haben genügend Hilfsangebote“, betonte der evangelische Pfarrer und Krankenhausseelsorger am Zentrum für Psychiatrie in Weißenau.
Was die Notunterkünfte für Wohnungslose betrifft, so ist Ravensburg nach Einschätzung von Bürgermeister Blümcke gut aufgestellt, auch dank der Kooperation mit Institutionen wie dem Dornahof in Altshausen.
„Kein Obdachloser muss bei uns im Winter frieren. Wir haben ausreichend Schlafplätze, auch für Frauen. Keine andere Stadt im Regierungsbezirk Tübingen kommt dieser Verpflichtung so gut nach wie Ravensburg.“ Der Bürgermeister räumte allerdings ein, dass die ausreichende Unterbringung von Wohnungslosen in Notunterkünften gerade für mittelgroße Städte ein ständig größer werdendes Problem darstellt.
Und wenn sich die Arbeitsmarktlage als Folge der Corona-Krise nachhaltig verschlechtern sollte, könnte die Zahl der Wohnungslosen zusätzlich steigen, aber auch die der Menschen mit gravierenden psychischen Erkrankungen.
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