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Heilignachtsänger - Theologische Betrachtung (II)




Folgendes Lied mag symbolisch für das stehen, was wir Heilignachtsänger mit unserem vierstimmigen Männerchor in der Heiligen Nacht 2024 besingen:

 

Heiligste Nacht, heiligste Nacht! Finsternis weichet, es strahlet hernieder wunderbar helle vom Himmelsgezelt. Jubelnd in Lüften schallt´s überall nieder. Ehre dem Höchsten und Friede der Welt. Engel erschienen, die Hirten geschwind folgen der Botschaft und eilen zum Kind, finden im Hirtenstall den, den die Himmel all untertan sind, untertan sind.

 

Hierzu eine kleine theologische Betrachtung:

 

Die Geschichte mit den Engeln und den Hirten (Lukas 2,1-20) ist zwar eine uralte Geschichte, aber immer wieder hören wir neu und anders hinein in die alten Worte der Weihnacht.

Denn von Jahr zu Jahr verändern wir uns. Familienereignisse haben stattgefunden. Ein Kind ist geboren. Wir mussten uns von geliebten Menschen trennen. Beruflich haben wir uns verändert. Hürden sind genommen. Andere stehen bevor. Politisch, gesellschaftlich, das Klima …

 

Auch unsere Gemütslage ändert sich von Jahr zu Jahr. Ereignisse prägen und bilden sich in unserem Innersten ab.

Im Flug der Zeiten, bei aller Unsicherheit, die den Weltlauf und auch unser persönliches Leben prägt, tut es gut, an Vertrautes anzuknüpfen. Ein vertrauter Text, vertraute Lieder, eine Stimmung, ein bekanntes Ritual. Das macht unseren christlichen Weihnachtstext mit seinen Bildern so wertvoll. Dazu gehören die Krippenfiguren, der Christbaum. Weihnachten als Gesamtkunstwerk. Es führt uns in jene besondere Stimmung, die nur am Heiligabend aufkommt. Ein Journalist hat es in diesen Tagen so ausgedrückt: Weihnachten ist wie ein Lagerfeuer, das nie niederbrennt.

Mich fasziniert die Geburtsgeschichte Jesu aus Lukas 2 schon seit langem. Wir haben sie im Studium aus der Ursprache übersetzt, kritisch hinterfragt, sie zerlegt, analysiert, Widersprüche herausgearbeitet usw. Wir sind mit den Mitteln der Wissenschaft herangegangen. Was man mit Texten so macht, wenn man Theologie studiert. Das ist gut so. Denn der Glaube findet auch und gerade im Licht der Wissenschaft und durch die Kritik hindurch zu seinem Ziel. Es wäre ein brüchiger Glaube, wenn er dies nicht aushielte. Aber all die berechtigten kritischen Durchleuchtungen konnten mir nicht beantworten, warum gerade diese Geschichte so berührt. Es muss noch ein anderes Geheimnis darin verborgen sein.

Warum lassen viele von uns, auch religiös eher unmusikalische Menschen sich so berühren von dieser Geschichte? Weil diese Geschichte unsere eigene Geschichte erzählt. Ein Kind waren wir alle. Wir alle wurden geboren. Niemand von uns weiß so richtig, wie es sich anfühlte, neugeboren zu sein. Aber wir ahnen, dass dieser Start in ein neues Leben ein gewaltiger gewesen sein muss.




Nun gibt es in der Vielfalt biblischer Zeugnisse auch andere Zugänge zu dem einen Geschehen, dem Erkennen Gottes im Menschen. Johannes wählt eine philosophisch-weisheitliche Denkbewegung:

1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. 2 Dasselbe war im Anfang bei Gott. 3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. 4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit (Johannes 1,14)

Auch das ist eine Weise, die Bewegung darzustellen, die vom Urwort der Schöpfung ausgeht und sich mit innerer Dynamik in die Welt begibt. Das Wort ist die Urkraft aller Bewegung des Lichts.

„Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns“. Um diese nüchterne Aussage hätte man wahrscheinlich kein Fest gebaut. Was Johannes nüchtern, aber philosophisch tiefgründig schreibt, und so anschlussfähig macht zu den Denkern seiner Zeit, kleidet Lukas in eine Geschichte.

Am Anfang war das Wort. Das, was hier mit Wort ausgedrückt ist, dürfen wir uns alles andere als verkopft vorstellen. Am Anfang war die Emotion. Eruption. Das Wort bewegt sich in die Welt mit deiner gewaltigen Energie.

Das Wort wird wirklich Fleisch und Blut. In der Geburt Jesu, in der Gott zur Welt kommt. Und das führt dazu, dass es in uns nur so von archaischen Bildern wuselt, ein Mix aus dem, was uns Lukas ausmalt, und dem, was wir in unserem Inneren entstehen lassen.

Gehen wir etwas den Bildern nach und spüren der Kraft dieser Bewegung von Wort und Emotion, wie sie in uns nachklingen, wie sie eigene Bilder wachrufen und sich mit eigenen Erfahrungen verbinden. Lukas erzählt. Johannes liefert das philosophische Denkgebäude.

Josef und Maria – das ist, um es gelinde auszudrücken, eine völlig unklare Beziehung. Und doch gewählt. Wie und warum bleibt Geheimnis. Nicht zum Zerreden geeignet. Ein Paar. Sie schwanger. Sie machen sich auf, weil sie geschickt werden. Sie brechen auf in eine ungewisse Zukunft. Mut haben die beiden.

Das kennen wir bestimmt. Es gibt sicher niemand unter uns, der oder die nicht schon einmal aufgebrochen ist. In eine unsichere Zukunft.

Und den Stall, die Krippe dürfen wir uns nicht zu romantisch vorstellen. Notquartier fällt mir dazu ein. Wirklichkeit für viele. Auch heute Abend. Nicht jeder Mensch hat ein sicheres Lager für die Nacht.

Voller Kraft schwingen sich die Engel aus den himmlischen Sphären hinab zur Erde. Sie bringen das Wort Gottes vom Himmel und die Emotion der Kraft einer überzeugenden Botschaft: Fürchtet euch nicht.

Ja, liebe Engel, das ist so leicht gesagt: Fürchtet euch nicht. Wie das?  Kann man das so einfach sich sagen lassen? Wir kennen doch unser Innerstes. Wir wissen doch genau, dass sie sich manchmal anschleicht wie der Dieb in der Nacht: die Angst vor der Zukunft. Die Angst vor dem Wandel. Die Angst vor einer längst fälligen Entscheidung.

Jeden Tag wird es gebraucht, das trotzige und zuversichtliche: Fürchtet euch nicht.

Was kann das heute bedeuten? Wir dürfen auf Wandlungskraft unserer Einstellungen und Haltungen hoffen. So wie unser Gehirn ein plastisches Organ ist, so können sich auch unsere festgezurrte Denkbewegungen, Meinungen und Haltungen ändern. Das Verbindende suchen anstatt das Destruktive pflegen.

Das ist nicht weniger als eine Lebensaufgabe. Weihnachten ist ein Lagerfeuer, das nie niederbrennt. Wärmen wir uns an diesem Lagerfeuer, dann werden uns Kräfte zuwachsen, die uns guttun und anderen auch.




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