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Was die Allee erzählt ...



 

Wenn dieses Sträßchen, diese Bäume erzählen könnten. Die Allee hat es in sich. Sie führt von der unlängst zum Münster erhobenen ehemaligen Abteikirche Weissenau schnurstracks und kerzengerade zum ehemaligen Frauenkloster der Abtei. Wahrhaft eine prächtiger Prozessionsweg, gefüllt mit Historie, umsäumt von uralten Kastanienbäumen, vorbei an sehr realistischen barocken Skulpturen mit dem leidenden Christus, an dem, eingesperrt in kerkerähnlichen Kapellen, der Zahn der Zeit unablässig nagt. Es ist noch nicht lange her, da quälte sich zum Leidwesen der Erholungssuchenden und der Kastanien unablässig Abkürzungsverkehr durch die Enge. Das ist Gott sei Dank vorbei: heute herrscht reger Fahrradverkehr, Hunde werden ausgeführt, Fußgängerinnen und Fußgänger genießen das Grün. Die Allee tut jetzt allen gut. Die Nähe des Krankenhauses gibt dem Weg sein Gepräge. Therapeutische Gespräche finden statt, begleitete Spaziergänge usw. Die Allee ist Teil der Therapie und der Seelsorge. Unzählige Male war ich dort unterwegs, mit Menschen, die ich als Seelsorger viele Jahre begleitete, Akutpatientinnen, Langzeitpatienten, Schülerinnen und Schüler, als Pfarrer auf dem Weg zum Friedhof. Besonders eindrücklich ist mir noch der Trauerzug, der zu Ehren eines verstorbenen Patienten aus dem Heimbereich veranstaltet wurde. Langsamen Schrittes die 800 Meter, mit Rollstühlen, einer Kerze und einem Blumengebinde. Mit Heimleitung und Sozialdienst. Spontan schließe ich mich nach getaner Arbeit dem Zug an und erlebe ein wohltuendes Gefühl der Solidarität. Auf dem Gelände angekommen, empfängt uns ein Akkordeonspieler mit fröhlichen Rhythmen: Feiert ihr eine Hochzeit? Nein, wir kommen von einer Beerdigung: Tragikomödie. Was hat die Allee schon alles erlebt, ertragen, erlitten. Jedes Jahr am Volkstrauertag. Psychiatrie live. Mitten im tristen Novembergrau macht sich eine andere Prozessions auf den Weg: Eine Gesellschaft mit Uniformierten, Fahnenträgern, Feuerwehr setzt sich punkt elf Uhr nach dem ökumenischen Friedensgottesdienst in Bewegung. Die Musik spielt den Trauermarsch von Chopin. Zum Gleichschritt lasse ich mich nicht zwingen. Jogger huschen vorbei. Es geht zum Friedhof, zum Ehrenmal für die Gefallenen der Weltkriege. Die Teilnehmenden sind in die Jahre gekommen, jedes Jahr werden es weniger. Und doch wird an der Prozession festgehalten mit fester Liturgie, Ansprache, Gebet, anachronistisch anmutenden Kanonendonner, bei dem regelmäßig alle zusammenzucken und sagen: das muss doch nicht sein, das stört doch die Grabesruhe. Ich habe mich mit einer Abschaffungsinitiative in die Nesseln gesetzt. In meinen Worten und Gebeten war es mir wichtig, die Opfer des Nationalsozialismus zu erwähnen und zu betrauern, die 691 Menschen mit Beeinträchtigung hier am Ort Weissenau, die aufgrund ihres Andersseins ermordet wurden, alle, die der sogenannten Euthanasie zum Opfer fielen, die Opfer der Zwangsarbeit, die Menschen, die im Lazarett Weissenau an den Folgen ihrer Verwundungen gestorben sind. Das verbindet mich mit der Allee. Und jetzt das: Gesicherte Rechtsextreme gewinnen eine Landtagswahl! Die Rattenfänger, die die Wahrheit beugen und sich bei der Jugend einschleimen, die mit Hassparolen unsere Demokratie aushöhlen und letztlich Europa auflösen wollen.

Empörungsreflexe reichen nicht aus. Sie führen nicht weiter. Dieses Graffitti auf dem Mülleimer an der Allee, neben einer Bank zur Ruhe, sagt, was jetzt dran ist: Nazis hier entsorgen. Unsere Geschichte zeigt und gerade dieser Ort: mit dem Soldatenfriedhof und dem Denkmal der Grauen Busse ganz in der Nähe mahnen: Nazis haben unendliches Leid über die Menschheit gebracht. Das lässt sich nicht ungeschehen machen. Aber wir können und müssen daraus lernen. Ständiges Mahnen und sich Empören ist zu wenig. Es geht um eine tiefe geistige Auseinandersetzung. Ich bin froh, das sich die Kirchen hier klar positionieren. Gewiss, nicht alle, die die AFD wählen, sind Nazis. Aber wer sich einer gesichert rechtsextremen Partei anschließt, und wenn auch nur durch das Kreuz bei einer Wahl, der stärkt dieses Gedankengut und lässt die hetzenden Höckes, Weidels und Gaulands weiter hetzen. Auf diesem Mülleimer macht sich einer oder eine Luft mit der klaren Botschaft: Nazis gehören auf den Müllplatz der Geschichte. Braunes Gedankengut muss entsorgt werden. Menschenverachtung ist nicht wählbar.

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